Bei einer zufälligen Begegnung mit der Steinbildhauerei, 1994, innerhalb eines interdisziplinären Workshops fand ich für mich eine neue, bereichernde Möglichkeit, durch das plastische Gestalten meiner Kreativität auf nonverbalem Wege einen intensiveren Ausdruck zu verleihen, als es mir mit Ton und Gips bisher möglich war. Diese schöpferischen und bereichernden Erfahrungen haben dazu geführt, dass ich jährlich bis 2004 an der Scuola di Scultura in Peccia in der Schweiz ein Atelier anmietete, um dort ungestört, in einer mich, anregenden Atmosphäre bildhauerisch arbeiten zu können. Darüber hinaus habe ich die Möglichkeit im Offenen Atelier der Bergischen Diakonie Aprath an eigenen Skulpturen zu arbeiten. Als Mitbegründerin des Offenen Ateliers leite ich dort die Steinbildhauerkurse für Einsteiger und Fortgeschrittene, figürliches Gestalten mit Pappmaché, sowie eine Performancegruppe in darstellendem Maskenspiel.
Das erste Erlebnis mit dem Stein war für mich so prägend und umwerfen, dass ich es hier nochmals auferstehen lassen möchte. Denn nichts erklärt es besser, warum ich bis heute nicht davon lassen kann.
Da steht er, 150 kg grauweisser Marmor. Ich stehe ehrfürchtig davor, eine Unzahl an Jahren ist er alt, und ich will innerhalb zweier Wochen seine Form verändern.
Unfähig ihn selber zu drehen oder zu wenden, habe ich den Fäustel und das Spitzeisen in der Hand, doch wo soll ich anfangen? Vorher hatte ich mich noch nie an so einem „harten" Material künstlerisch versucht, weder gemalt noch gezeichnet und nun steht dieser riesige Brocken vor mir. Den Anderen in der Gruppe ergeht es ähnlich. Das beruhigt mich ein wenig. Irgendwie fange ich an, haue hier, klopfe dort. stecknadelgrosse stückchen springen vom Stein.
Nach zwei Tagen sehe ich kaum eine Veränderung. Es ist noch offen, wer letztlich siegen wird der Stein oder ich. Meine Hände und Arme sind geschwollen und jede Bewegung schmerzt.
Nach einer Woche hat sich die Form des Steins sichtbar verändert. Die Arbeit macht jetzt Spaß. Meine Hände und Arme sind zwar immer noch geschwollen und zu den aufgeplatzten Blasen gesellen sich unentwegt neue, meine Schutzbrille drückt sich in die Gesichtshaut, doch egal, ich sehe nur noch meinen Stein, bin für ihn da und er für mich.
Wenn ich nicht arbeite, sehe ich überall Formen, die mir so früher nicht aufgefallen wären. Mein Sehen hat sich verändert. Waren vor einer woche „nur" Berge um mich herum, so sehe ich jetzt Formen im Gestein. Mir zugewandt liegt der „schlafende Indianer", in meinem Rücken „das Tor zum Abend". Abends unter der Dusche ist mir, als sehe ich zum ersten mal meine Beine oder vielleicht sehe ich keine Beine, sondern nur Formen. Fast vergesse ich das Duschen, so vertieft bin ich in dieser Wunderwelt.
Nach 1 ½ Wochen habe ich die Form des Steines so verändert, dass ich Gefallen an ihm finde. Jetzt beginnt das Schleifen und Polieren.
Es ist unglaublich, doch nach nur zwei Wochen ist aus dem Stein eine Skulptur geworden. Glaubte ich anfänglich nicht, dass ich dem Stein „meine" Form geben könnte, so zeigte sich doch Tag für Tag, dass aus Zufälligkeiten ein zielgerichtetes Arbeiten wurde. Nun stehe ich vor der Skulptur, meiner Skulptur, und kann es kaum fassen.
Heute, 2019, ist für mich das figürliche Gestalten mit Pappmaché in Kombination mit Stein und Stoff in den Vordergrund gerückt. Auch habe ich die Malerei entdeckt, die mir neue Möglichkeiten des Ausdrucks eröffnet, in dem ich beides bildnerisches und plastisches Arbeiten miteinander verknüpfen kann.
Seit 2015 diente mir mein bildnerisches wie plastisches Gestalten als Mittel der Kommunikation in meinem Engagement für asylsuchende Menschen. Malen und Gestalten ließ Verständigung in Zeiten der Sprachlosigkeit möglich werden. Es entstanden Projekte und es gab und gibt Ausstellungen, aber auch Hilfen im Alltagsleben, die aus Fremden Freunde werden ließen.
Einen Überblick über meine Arbeiten sehen Sie in der Fotofolge.